Die GroKo reformiert die Agenda 2010: Mindestlohn – hat zu reichen!

Datum
Ort
Bremen
Themenbereich
Arbeit, Kapital und Sozialstaat
Veranstalter
Argudiss
Dozent
Gastreferenten der Zeitschrift GegenStandpunkt

Die Einführung eines Mindestlohns von 8,50€ flächendeckend ist von der Großen Koalition beschlossen. Die SPD hat das zu ihrem "Prestigeprojekt" erklärt. Die Gewerkschaften feiern: "Eine langjährige Forderung des DGB wird endlich umgesetzt." Grüne und Die Linke schließen sich an - natürlich hätten sie ein paar Cent mehr gewollt. Und laut Umfragen sind 80% der deutschen Bevölkerung auch zufrieden.

Was ist das denn für eine Zufriedenheit? Die Regierenden bilanzieren, was ihre Agenda 2010 angerichtet hat: Immer mehr Beschäftigte können vom Lohn nicht leben. Die Löhne wurden und werden auf breiter Front gesenkt. Und dann gilt es schon als Wohltat, wenn die GroKo dafür eine Untergrenze einzieht?

Ein „gesetzlicher“ Mindestlohn soll die „Existenz sichern“ - was für ein vernichtendes Zeugnis über die kapitalistische Wirtschaft und den Lebensunterhalt der Leute in ihr:

• Erst wird die Mehrheit der Menschheit dazu genötigt, Geld fürs Leben zu brauchen und mit Arbeit zum Nutzen von Unternehmen zu verdienen.

• Und dann können Millionen, darunter viele Vollzeitbeschäftigte, von dem Geld nicht einmal leben.

• Lohnende Arbeit für Betriebe und Existenzsicherung für Beschäftigte vertragen sich nicht: Der Zweck der Bezahlung der Arbeit, nach dem die Betriebe den Lohn kapitalistisch kalkulieren, liegt nicht darin, dass Lohnempfänger davon leben können.

• Doch da lohnabhängige Menschen keine andere Einkommensquelle haben, müssen sie davon irgendwie eine Existenz hinkriegen.

Und was ändert der beschlossene Mindestlohn daran?

Wird mit ihm die Agenda 2010 der Schröder-Fischer Regierung zurückgenommen? Setzt er einen Lohn durch, mit dem ein ordentliches Leben gesichert ist? Zwingt er die Betriebe dazu, jedem einen solchen Lohn zu zahlen?

Nichts davon!

• Ein politisch definiertes Existenzminimum ist erlassen: Mit 8,50 brutto haben Menschen hierzulande auszukommen; „basta“ hätte Schröder gesagt.

• "Hartz-IV de luxe" nennen das seine Nachfolger zynisch: Wer zu 8,50 beschäftigt ist, hat keine Ansprüche an die Sozialkassen, und die Haushaltspolitiker des Staates rechnen mit Einsparungen.

• Die 8,50 sind ein Stundenlohn. Millionen Beschäftigten brockt er die Sorge ein, viele Stunden von den Betrieben gebraucht zu werden. Wieviel Stunden sich lohnen, entscheiden aber weiter die. Und was für die 8,50 an Arbeitsleistung auszuhalten ist, davon redet schon gar keiner.

• Der mit der Agenda 2010 politisch initiierte Niedriglohnsektor wird politisch festgeschrieben, mit der Untergrenze Mindestlohn.

• Unternehmer dürfen alle ihre Löhne neu kalkulieren: Alle Stundenlöhne über 8,50€ sind ab jetzt mehr als die Politik gebietet. Da kann ganz neu mit allen Lohnkosten kalkuliert, ein ganz neuer "Personalmix" und neues Lohnniveau eingeführt und schön über neue Tarife verhandelt werden.

Keine Frage, wer da feiern kann!

Literaturhinweise

Margaret Wirth
Wolfgang Möhl
"Beschäftigung" – "Globalisierung“ – "Standort“ ...
Anmerkungen zum kapitalistischen Verhältnis zwischen Arbeit und Reichtum
132 Seiten, Format A5
€ 10,–
ISBN 978-3-929211-14-6
Überarbeitete und erweiterte Fassung des Artikels in GegenStandpunkt 3-12 und 4-12

 
Peter Decker / Konrad Hecker
Das Proletariat
Politisch emanzipiert – Sozial diszipliniert – Global ausgenutzt – Nationalistisch verdorben –
Die große Karriere der lohnarbeitenden Klasse kommt an ihr gerechtes Ende
München 2002
288 Seiten   A5   € 20.–
ISBN-13: 978-3-929211-05-4
ISBN-10: 3-929211-05-X
 
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