Die Schule des Kapitalismus

Datum
Ort
Nürnberg
Themenbereich
Wissenschaft und Ausbildung
Veranstalter
Sozialistische Gruppe
Dozent
Gastreferenten der Zeitschrift GegenStandpunkt

Einerseits genießt die Schule den besten Ruf. Sie ist geradezu lebensnotwendig: Sie macht aus Kindern Menschen, die sich in der Gesellschaft zurecht finden, stattet sie mit Wissen und Fähigkeiten aus, die sie brauchen, um ihr Leben zu meistern, und öffnet ihnen die Welt. Ohne Schulbildung geht gar nichts.

Andererseits steht die Schule in einem sehr schlechten Ruf. Die Beteiligten leiden überwiegend an ihr: Schüler ödet der Unterricht meistens an und nervt, sobald es um Prüfungen und Noten geht; wenn er ihnen nicht gleich richtig Angst vor dem Scheitern macht. Eltern klagen über den gewaltigen Stress, den die heutige Schule ihren Kindern macht und den sie ohne Nachhilfe und Tabletten oft gar nicht mehr aushalten. Lehrer kämpfen mit dem ewigen Desinteresse der Schüler am Unterricht, ihrer „Verweigerungshaltung“ und der Unruhe in der Klasse – und leiden darunter, dass ihnen keiner dankt. Viele halten den Beruf im Lauf der Zeit immer schlechter aus. Universitäten und Arbeitgeber halten die Absolventen der verschiedenen Schulen für nicht „studier-“ oder nicht „ausbildungsfähig“ und noch nicht einmal der Staat, der Organisator der ganzen Veranstaltung, ist mit den Leistungen seiner Einrichtung zufrieden. Er reformiert beständig an der Schule herum, damit sie endlich liefert, wofür er sie finanziert.

Der Widerspruch zwischen der guten Funktion, die man der Schule zuschreibt, und ihrer schlechten Wirklichkeit wird hingenommen, als ob er natürlich wäre; als ob es zum Lernen nun einmal dazugehören würde, dass sich die mit Wissen Beglückten dagegen sträuben, dass Schüler nach 9 und mehr Schuljahren nicht viel und manche auch gar nichts wissen, dass sich Schüler vor der Einrichtung, die sie aufs Leben vorbereitet, fürchten. Alle Seiten verstehen und akzeptieren die Schule als Mittel für das, was ihnen wichtig ist, und müssen erfahren, dass sie – so unverzichtbar sie dafür ist – ihr Mittel zugleich auch nicht ist.

Die Vorbereitung auf und die Einordnung in die kapitalistische Konkurrenz im Berufsleben ist eben etwas anderes als eine unschuldige Einführung in das gesellschaftlich vorhandene Wissen: Das Lernen ist selbst schon als Konkurrenz um Noten und Abschlüsse und Lebenschancen organisiert und es ist klar, dass nicht alle Schüler alle Bildungsziele erreichen sollen und dürfen. Die Schule ist ein Angebot an den werdenden Konkurrenzbürger: Er soll und darf etwas aus sich machen und sich durchsetzen, indem er Anforderungen besser erfüllt als andere. Der Ernst des kapitalistischen Lebens beginnt eben schon vor der Konkurrenz der Erwachsenen um Posten und Einkommen. Alle Ekelhaftigkeiten der Schule haben hier ihren Grund.

Veranstalter: Sozialistische Gruppe

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