Im Laufe des Oktober werden die soliden fleißigen Deutschen von ihrer Regierung mit der traurigen Wahrheit vertraut gemacht: Was vor gut einem Jahr als „US-Hypothekenkrise“ angefangen hat, das hat sich mittlerweile zu einem stückweisen Zusammenbruch des globalen Finanzsystems ausgewachsen und bedroht ernsthaft das Wohl der Nation im Allgemeinen und im Besonderen. Irgendwie stehen die Ersparnisse der „kleinen Leute“, die Geschäfte des nationalen Mittelstands, der bekanntlich „unsere Arbeitsplätze“ produziert, und letztendlich „unser aller Wohlstand“ auf dem Spiel: Das bringen Merkel, Steinbrück und eine besorgte Öffentlichkeit in ihrer seltsamen Mischung von Alarm und Beschwichtigung doch recht eindrücklich ʼrüber.
Die Erklärungen des Notstands, die dazu angeboten werden, die Auskünfte über den Zusammenhang zwischen den „Machenschaften“ der globalisierten „Hochfinanz“ und dem privaten Girokonto lassen allerdings schwer zu wünschen übrig; von Klarheit über die Gründe des Desasters ganz zu schweigen – es sei denn, man gibt sich mit einer Tag für Tag fortgeschriebenen Chronologie der Ereignisse und anklagenden Verweisen auf diverse Schuldige als Erklärung zufrieden. Einigermaßen im Dunkeln bleibt auch, weshalb die machtvollen Maßnahmen zur Eindämmung und Überwindung der Krise, die die zuständigen Regierungen an einem Tag unternehmen und für zweckmäßig und ausreichend erklären, regelmäßig am nächsten Tag oder in der Woche darauf wirkungslos „verpufft“ sind und neue, drastischere Interventionen fällig werden, die dasselbe Schicksal erleiden. Wenn am Ende „der Steuerzahler“ mit ein paar Dutzend Milliarden eine Branche „retten“ soll, die im Verdacht steht, nicht bloß Steuerzahlers Geld, sondern ein Vielfaches davon „verzockt“ zu haben, dann ist das zwar eine ganz nette Vorlage für einen gerechten Volkszorn, kann aber irgendwie auch nicht die Wahrheit über den Notstand und seine versprochene Bewältigung sein.
Es sollen ein paar Argumente zur Diskussion gestellt werden:
• zu Dienst und Macht des Kreditgewerbes und zur notwendigen Abhängigkeit der restlichen Marktwirtschaft von seinen Geschäften,zur spekulativen Natur des Geschäftszweigs und
• zu Qualität und Quantität seines Wachstums,zur inneren Logik seines zeitweiligen Zusammenbruchs, sowie
• zur Rolle der demokratischen Staatsgewalt als Betreuer, als Nutznießer und nun also als Retter eines „Sektors“, der ganz grundsätzlich mehr ist als eine kapitalistische Branche unter anderen.