Noch ein Patentrezept gegen die Übel des Kapitalismus – Das bedingungslose Grundeinkommen
Die kapitalistische Wirtschaft produziert mit dem Reichtum der einen die Armut der anderen – und zwar immer mehr von beidem. Der zur Gewinn-Steigerung eingesetzte technische Fortschritt in Werkstätten und Büros erhöht die Leistung des einzelnen Beschäftigten für die Firma und erspart ihr die Bezahlung von Lohn für eingesparte Arbeit; derselbe Fortschritt macht daher Arbeitskräfte überflüssig und bringt sie um ihre Erwerbsquelle. Das Millionen-Heer der Einkommenslosen ist gezwungen, sich den Unternehmern um jeden Preis anzubieten; was diesen wieder erlaubt, ganz allgemein die Löhne zu drücken, so dass mit dem Reichtum der Kapitaleigner, nicht nur die Zahl der armen Arbeitslosen steigt, sondern auch die der „working poor“.
Dagegen ließ sich nach allgemeinem Dafürhalten nichts machen, bis ein paar kluge Leute eine Idee hatten: Die Gesellschaft muss den armen Leuten ein Grundeinkommen zahlen, dann sind sie nicht mehr arm. Verblüffend! Warum ist man da nicht früher darauf gekommen? „Unsere Wirtschaft“ holt aus dem Produktionsfaktor Arbeit alles heraus; knappst an jedem Cent Lohn herum, streicht Arbeitspausen, erhöht das Tempo – alles damit der Arbeiter der Firma noch mehr Gewinn einbringt und einen noch kleineren Teil seiner Wertschöpfung als Lohn nach Hause trägt. Dabei soll es nach Auffassung der Leute mit der neuen Idee im Prinzip auch bleiben. Wenn die Entlassenen und die Billigarbeiter wegen dieses ökonomischen Prinzips arm und mittellos werden, schenken „wir“ als Gesellschaft ihnen einfach das Geld, das „wir“ als Wirtschaft sie nicht oder immer weniger verdienen lassen. Erst soll mit allen Mitteln kapitalistisch Geld gemacht werden, und dann will man es ganz und gar unkapitalistisch ausgegeben, nämlich umverteilen. Hätten sich die Reichen das Ausbeuten nicht gleich sparen können, wenn seine Ergebnisse hinterher teilweise rückgängig gemacht werden sollen?
Zum Weinen sind die Kontroversen die diese schöne Idee auslöst: Wo immer sie diskutiert wird, werden zwei Einwände laut: Wer soll das bezahlen? Und wer wird die Drecksarbeit machen, wenn die Menschen auch ohne Arbeit bescheiden leben können? Die Zweifler stellen sich gleich auf den Standpunkt des kapitalistischen Wirtschaftens und halten den Verbesserungsvorschlag für unrealistisch: Erstens ist im Kapitalismus nirgendwo Geld übrig, das für Umverteilung zur Verfügung stünde. Zweitens darf der Zwangscharakter der Lohnarbeit nicht abgeschwächt werden, denn ohne echte Not – da kennt sich der Realist aus – würde sich keiner für sie hergeben. Mit diesen zynischen Wahrheiten kritisieren diese Leute freilich nicht den Kapitalismus; sondern den Versuch, ihn durch ein Grundeinkommen zu humanisieren. Die Anhänger der guten Idee weisen diese Sorte Realismus nicht zurück, sondern rechtfertigen sich vor ihm: Sie versichern, das Grundeinkommen sei nicht nur verträglich mit der Profitmacherei, sondern würde sie ganz besonders befruchten und voranbringen; außerdem müsse niemand fürchten, dass der „Anreiz“ zur Arbeit verloren geht, das Grundeinkommen werde schon niedrig genug angesetzt.
Zeitgenossen, die diese versponnene Kombination aus sozialpolitischem Idealismus und kapitalistischem Realismus attraktiv finden, könnten sich durch diese Zeilen zum Widerspruch herausgefordert fühlen.
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Götz Werners ‚bedingungsloses Grundeinkommen‘ gegen Armut und Arbeitslosigkeit:
Sorgen um den rechten Geist des Kapitalismus http://www.gegenstandpunkt.com/gs/10/3/gs20103c01.html, in GegenStandpunkt 3-10 http://www.gegenstandpunkt.com/gs/10/3/inh103.htm