Der Frieden ist ein hohes Gut. Über seinen unschlagbar guten Ruf werden allerdings ein paar Eigentümlichkeiten übersehen, die das Treiben der Nationen auszeichnen, das als ‚Frieden‘ moralisch gutgeheißen und theoretisch abgehakt wird.
Das betrifft erstens die Subjekte des Friedens. Das sind nämlich nicht die Insassen der Nationen, sondern deren politische Führer, die über die Macht verfügen. Die – wer auch sonst – sind die einzigen und befugten Subjekte für den Übergang vom Frieden zu den Kriegen, welche andauernd angeblich ‚ausbrechen‘, in Wirklichkeit aber von ihnen befohlen werden. Frieden und Krieg sind für sie zwei Weisen, ihre Macht, die sie aus der Bewirtschaftung ihrer Nationen beziehen, nach außen zu gebrauchen. Und das sieht man dem Frieden auch an, wenn sie sich zu ihm bereitfinden.
Zweitens ist der Inhalt des Friedens nämlich nicht einfach die Abwesenheit von Krieg, sondern ein globalisierter Verkehr der Nationen, der der Ideologie vom wechselseitigen Nutzen des ‚friedlichen Handels und Wandels‘ Hohn spricht: Da geht es um die Konkurrenz kapitalistisch wirtschaftender Nationen darum, welcher Staat mit seinem Arsenal an ökonomischen Konkurrenzmitteln, die im wesentlichen in der Masse von Kapital und rentabel einsetzbarer Arbeitskraft bestehen, aus dem Geschäftsverkehr mit anderen Nationen möglichst viel nationalen Geldreichtum erobert, d.h. an Zuspruch der international agierenden kapitalistischen Geschäftswelt statt anderer auf sich zieht.
Und so sehen drittens die Resultate des Friedens dann auch aus: Die liegen vor in den Bilanzen von Staaten darüber, ob sie mit und im Verkehr mit anderen ihren Reichtum vermehren konnten oder eingebüßt haben. Da addiert sich nichts oder ergänzen sich etwa die produktiven Anstrengungen in der einen Nation mit denen in einer anderen Nation. Der Reichtum, um den alle Nationen konkurrieren, besteht in der abstrakten, geldförmigen Zugriffsmacht auf allen Reichtum und seine Quellen, und er stiftet darum auch noch lange vor den dann auch so bezeichneten ‚Handelskriegen‘ lauter Gegensätze zwischen den Staaten, die um ihres nationalen Wachstums willen den kapitalistischen Geschäftsverkehr mitein V.i.S.d.P.: Gegenstandpunkt VerlagsGmbH, B. Schumacher, Augustenstr. 24, 80333 München; E.i.S. internet: gegenstandpunkt.com ander zulassen, fördern und beaufsichtigen. Im Ergebnis scheiden sich folgerichtig ein paar darin erfolgreiche Nationen von einer großen Anzahl von Verlierern.
Darum dreht sich viertens für die Staaten alles darum, dass sie die Bedingungen für diesen Frieden möglichst machtvoll selbst diktieren und nicht von anderen diktiert bekommen: Wegen des gegensätzlichen Nutzens, auf den alle Staaten aus sind, weiß jeder von ihnen, dass es darauf ankommt, den anderen die für vorteilhaft gehaltenen Konditionen aufzunötigen bzw. deren Willen überhaupt darauf zu verpflichten, an der Veranstaltung namens Frieden weiter teilzunehmen. Dafür brauchen sie ihre Machtmittel, denn nur die garantieren ihnen den Respekt und die Rücksichtnahme, auf die sie im Verkehr miteinander aus sind – nur die der anderen nötigen sie umgekehrt aber auch zu solchem Respekt. Darum fangen Staaten nicht erst an zu rüsten und Armeen aufzustellen, wenn sie meinen, der Frieden steuert mal wieder auf einen Krieg zu; ihre nicht zu übergehende Gewalt und deren Drohpotential ist die Voraussetzung und bringen sie in Anschlag, wenn sie den Frieden zwischen sich ausgestalten, also sich wechselweise auf die Bedingungen verpflichten, die sie für den eigenen Erfolg gegen ihre Konkurrenten für geboten halten. Nur so gibt es den Frieden: als Weltordnung, die den Nutzen ihrer Stifter gegen andere festschreiben soll.
Der Erfolg im 'friedlichen' ökonomischen Verkehr miteinander ist für die Staaten deswegen so unabdingbar, weil es die Erfolge bzw. Misserfolge bei dieser gewaltsam geregelten ökonomischen Benutzung der ganzen Welt sind, aus denen ihnen dauerhaft die materielle Fähigkeit zuwächst oder eben nicht, sich die militärischen Erpressungsmittel zuzulegen, die sie für nötig halten. Daher sind gerade die erfolgreichen, die ökonomisch reichsten und militärisch mächtigsten Staaten der Welt nie zufriedenzustellen – weder mit dem Maß ihrer ökonomischen Zuwächse noch mit der Stärke und Überzeugungskraft ihrer Gewaltmittel. Für sie geht es darum, die Gleichung zwischen ökonomischer Benutzung der ganzen Welt und ihrem Machtzuwachs auf Dauer zu stellen, das heißt gegen alle anderen – die Verlierer sowieso, vor allem aber gegen gleichrangige Konkurrenten –
zu verteidigen und auszubauen.
Mit ihrem globalen Geschäftsverkehr haben es die kapitalistischen Großmächte inzwischen zu einer weltweiten Krise gebracht, die jede von ihnen mit der Abwälzung der Schäden auf die anderen zu bewältigen versucht. Gleichzeitig betätigen die USA und ein paar europäische Mächte ihre Unzufriedenheit mit der Unterordnung der restlichen Staatenwelt in Form von regionalen Dauerkriegen mit eher zersetzender Wirkung auf ihre Weltordnung. Dass zudem mit China ein neuer machtvoller Konkurrent auf den Plan tritt, der sich seinerseits anschickt, seine ökonomischen Erfolge in einen Aufstieg in der globalen Gewalthierarchie umzumünzen, spornt vor allem die USA zu extra Anstrengungen ökonomischer, politischer und militärischer Art an…
Kein Wunder, dass die Völker den Frieden wenig genießen können. Sie sind die
Manövriermasse im Kampf darum, wer ihn gewinnt
1. Teil: Das Lob auf den Weltfrieden - falsch und untertänig
2. Teil: Vom Nutzen des Weltfriedens für seinen Stifter, die USA
3. Teil: Die Grundlage: Der nationale Kapitalismus als Quelle staatlicher Macht
4. Teil: Die Welt(markt)ordnung: Lizenz und Stachel für die nationalen Konkurrenzwillen - unter Vorbehalt
5. Teil: Diskussion
6. Teil: Der "Übergang zur"' Gewalt: auch eine Konkurrenzfrage
7. Teil: Diskussion
Weitere Publikationen zum Thema von argudiss oder von anderen:
Die Diplomatie – das Handwerkszeug der Konkurrenz zwischen Staaten in GegenStandpunkt 3-96