Propaganda auf demokratisch
Wie die Presse Meinungen fabriziert
Demokratische Journalisten würden es weit von sich weisen, Propagandisten der Staatsmacht zu sein. Sie verstehen sich nicht als Sprachrohr der Regierung, sondern sehen sich im Auftrag der Bürgerschaft unterwegs, die sich über das politische Geschehen ihre eigene Meinung bilden will. Deswegen gebietet ihre journalistische Verantwortung zuvorderst sachliche Information, was für sie gleichbedeutend ist mit: Informationen aus erster Hand. Ihre Artikel und Videoberichte bestehen deswegen zu einem großen Teil aus Stellungnahmen der politisch Zuständigen, in denen die die Notwendigkeit und den guten Sinn ihrer Vorhaben und Maßnahmen erläutern. So erfordert das Ethos der Authentizität, dass Journalisten sich faktisch erst einmal schon zum Sprachrohr der Mächtigen im Land machen.
Für Distanz zu den Ansichten der gerade Regierenden sorgt ihr zweites Gebot, das Gebot der ausgewogenen Berichterstattung. Oppositionspolitiker kommen da zu Wort, die erklären, wie schlecht Absichten und Handlungen der aktuell Verantwortlichen sind, wie inkompetent die ihre Ämter ausfüllen und um wie viel besser sie das könnten. Zudem werden Fachleute angeführt, die die beabsichtigten Maßnahmen auf ihre geplante Wirkung hin, aber auch auf die Wirkung auf andere wichtige Güter wie die Wirtschaft, die Familie, den Haushalt, den Euro, die Stabilität einer Region usw. problematisieren. Zuletzt geben Journalisten in Kommentaren ihre eigene Lagebeurteilung kund, in denen sie die von anderen aufgeworfenen Gesichtspunkte gewichten und ergänzen. Die Leistung dieser kritischen Berichterstattung ist bemerkenswert: Im Widerstreit der Ansichten schälen sich die Kriterien heraus, nach denen das politische Geschehen zu beurteilen ist, nämlich das Kriterium des Erfolgs der Macher und das Kriterium des Gelingens ihrer Vorhaben.
Insofern täuschen sich Journalisten, wenn sie meinen, dass ihre Kommentierung des politischen Geschehens aus den verschiedensten Blickwinkeln und ihre Verteilung von guten und schlechten Noten an die Politiker nichts mit Propaganda zu tun habe. Denn mit ihrer kritischen Berichterstattung exerzieren sie ihrem Publikum vor, wie kompetent über das politische Geschehen nachzudenken ist, und laden die Regierten dazu ein, sich bei ihrer Urteilsbildung die Sorgen des Staates zu machen, der sie regiert.
Die Festlegung der politischen Urteilsbildung der Bürger durch die Presse wird bemerkt und gerne auf eine verkehrte Art kritisiert: Die Medien manipulierten die Leute, indem sie ihnen was vorlögen, wichtige Informationen vorenthielten und sie so auf die Interessen von Großkonzernen und politischen Parteien einschwörten. Wenn es so wäre, dass den Lesern nur einfach Unwahrheiten erzählt würden, dann wäre der Spuk schnell erledigt. Die Sache ist vertrackter.
Veranstalter: Sozialistische Gruppe
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