Patria o muerte? Zur Rettung ihres Staates ist für die KP Kubas der Sozialismus gestorben

Datum
Ort
Wien
Themenbereich
Staatenkonkurrenz und Imperialismus
Veranstalter
AK Gegenpositionen
Dozent
Gastreferenten der Zeitschrift GegenStandpunkt

50 Jahre nach ihrer Revolution hat die Kommunistische Partei Kubas ihren Feinden und Verächtern die Genugtuung bereitet, dass sie selber in ihrem neuen Programm verkündet, zum Fortbestand ihres Staates bliebe ihr nur noch ein Ausweg: möglichst viel Kapitalismus zur Effektivierung und Verwohlfeilerung ihres Volkes! Dabei bleiben sich die alten Kämpfer um die Castro Brüder in ihrem kämpferischen Pathos treu:

• die Entlassung von bis zu einer Millionen Staatsbediensteten, die sich künftig in der erheblich ausgeweiteten privaten Kleinwirtschaft auf eigene Rechnung durchschlagen sollen;

• die Abschaffung der ohnehin immer armseligeren staatlich garantierten Grundversorgung;

• die Verpflichtung der Betriebe auf gewinnorientierte Produktionsmaßstäbe;

• mehr Leistungslohnanreize und -vorgaben;

• mehr selbstwirtschaftende Kleinbauern und

• mehr freier Handel mit den knappen Lebensmitteln;

• staatliche Planung vorrangig für die Entwicklung Devisen bringender Wirtschaftszweige – insbesondere Tourismus und Rohstoffförderung;

• und schließlich mehr Freizügigkeit für ausländisches Kapital.

Diese lineamentos der Partei werden dem kubanischen Werktätigen mitnichten als Übergang zu einem stinknormalen Dritte-Welt-Kapitalismus nahegebracht, sondern vom amtierenden Oberkommandanten allen Ernstes als Rettung des Sozialismus auf Kuba gefeiert:

„Wir sind davon überzeugt, dass wir die elementare Pflicht haben, die Fehler zu berichtigen, die wir in fünf Jahrzehnten des Aufbaus des Sozialismus in Kuba begangen haben... Die Maßnahmen, die wir nun anwenden, und alle Änderungen, deren Einführung bei der Aktualisierung des Wirtschaftsmodells notwendig werden, sind darauf ausgerichtet, den Sozialismus zu erhalten, zu stärken und wahrhaftig unwiderruflich zu machen.“ (Rede Raul Castros, 18.12.2010). Dabei streicht diese Reform großen Teilen der Bevölkerung ersatzlos ihre bisherige Reproduktion als nicht mehr länger tragbare staatliche Haushaltslast, verweist das Volk auf privates Wirtschaften und Fertigwerden mit knappen finanziellen wie materiellen Mitteln und richtet große Abteilungen der nationalen Wirtschaft und der staatlich kommandierten Mittel nicht mehr am inneren Bedarf, sondern auf die Erwirtschaftung von Weltmarkterträgen aus. Das alles mit Verweis auf die verheerende Devisennot des Staats und die Belastungen des Staatshaushalts durch seine Gesellschaft sowie deren mangelnde Leistungen für die staatlichen Bilanzen.

Dass Kuba in der heutigen imperialistischen Welt die Mittel fehlen, das wirft die Führung sich und ihrem Volk vor – und macht sich an die Rettung des Staats zu Lasten der Bevölkerung. Denn als Hauptschuldigen für die desolate Lage der Ökonomie und der Staatsbilanz hat die kommunistische Partei das Volk ausgemacht, das durch Staatsleistungen verwöhnt und dem Arbeiten entwöhnt worden sei. Die Führung spart nicht mit Kritik an Schlendrian, Faulheit und Anspruchsdenken der Bevölkerung und macht die staatliche Organisation der Ökonomie für den mangelnden Arbeitseinsatz der Kubaner haftbar, dem die staatlichen Haushaltsnöte geschuldet seien. Das verspricht sie abzustellen und ihre Massen durch ihre Reformen zu mehr Einsatz und Leistung hin zu regieren. Das und die Mobilisierung der nationalen Ressourcen für mehr Weltmarkterfolge soll die Staatsnot wenden.

Für die bürgerliche Öffentlichkeit ist die Sache klar: Wenn Kubas Führung soziale Leistungen dem Staatserhalt opfert und angesichts der Devisennot und der auswärtigen Schulden des Staats beschließt, sich mehr an Weltmarktbedürfnissen auszurichten und am Volk zu sparen, dann beweist das, wie grundverkehrt sie mit ihrem ganzen Sozialismus immer schon gewirtschaftet und regiert hat.

Nun künden die einschlägigen Armenhäusern Südamerikas nicht gerade von der volksverwöhnenden Produktivkraft des demokratischen Imperialismus, aber ungerührt gegen die real existierende Marktwirtschaft fühlt sich der bürgerliche Verstand jetzt auch noch von Kubas Kommunisten in seinem Glauben bestätigt, demzufolge ohne kapitalistisches Wirtschaften, ohne freien Zugriff des Dollar- und Eurokapitals, ohne eine Herrschaft, die sich ganz an dessen Interessen und den (Unter-)Ordnungsansprüchen von dessen staatlichen Hütern ausrichtet, ein Land nicht vorankommen kann.

Weil sich Kuba dagegen 50 Jahre lang gesperrt hat, ist man sich unter den Fans von Geschäft & Gewalt auch sehr sicher, dass auf der Insel „für wirksame Veränderungen auch ein Regimewechsel nötig ist“ (Hamburger Giga-Institut für Lateinamerika-Studien). So gesehen sind alle Reformen halbherzig und leisten nicht den wahren Wandel, der fällig ist: die Selbstaufgabe des Regimes und die Selbstabschaffung seiner Führung.

Linke Anhänger Kubas halten dagegen mehrheitlich am Vorbild Kubas für den Kampf gegen Armut, Unterentwicklung und US-Imperialismus fest und dem Land seine schwierige Lage zugute. Sie teilen zumeist kritiklos das Selbstverständnis der kubanischen Führung, mit den Reformen würde darum gekämpft „selbst unter sehr komplizierten Bedingungen den Sozialismus zu erhalten und zu entwickeln“ und die „beispielhaften Errungenschaften für das Volk zu erhalten“ (junge welt, 23.4.), die gerade endgültig abgeschafft werden.

Offenkundig ist auch für sie selbstverständlich, dass die radikalen Reformen zu Lasten der Bevölkerung der richtige Weg zur Bewahrung des Fortschritts in schwerer Zeit sind. Weder sich noch ihren Adressaten geben sie mithin ordentlich Rechenschaft darüber, wie es um Kuba bestellt ist und was es heißt, wenn die kubanische Führung den Selbstbehauptungskampf des Staates als Verteidigung ihres Sozialismus begreift.

Eine Staatsreform in Richtung Drittweltkapitalismus – im Interesse der nationalen Selbstbehauptung: Dahin hat es Kuba 50 Jahre nach der kubanischen Revolution gebracht. Die Veranstaltung zieht kritisch Bilanz über die Lage Kubas und die aktuellen Reformen, mit denen sie bewältigt werden soll; damit aber auch über die Weltmarkt- und Weltordnungsverhältnisse, in denen sich Kuba behaupten musste und will.

Veranstalter: AK Gegenpositionen

Weitere Publikationen zum Thema:

Kubas jüngster „Aufbruch zum Sozialismus“ Staatlich organisierter Drittweltkapitalismus in GegenStandpunkt 1-12

Gesamtaufnahme