Islamischer Staat gegen Vereinigte Staaten von Amerika: Eine militante Antwort auf die Verwüstung der arabischen Welt und ihre Bekämpfung durch den nächsten Krieg

Datum
Ort
Bremen
Themenbereich
Staatenkonkurrenz und Imperialismus
Veranstalter
Argudiss
Dozent
Gastreferenten der Zeitschrift GegenStandpunkt

Über den IS darf es nur ein Urteil geben und zwar seine totale Aburteilung: „Terroristen!“. So gibt es jedenfalls der Präsident der Weltmacht USA vor:

„In diesem Jahrhundert haben wir es mit einer noch mörderischeren, ideologischen Sorte Terroristen zu tun, die eine der größten Weltreligionen pervertiert haben....sie… töten so viele unschuldige Zivilisten wie möglich und wenden die brutalsten Methoden an, um die Menschen in ihrem Umkreis einzuschüchtern...Wir lehnen selbst die Andeutung eines Kampfes der Kulturen ab. Der Glaube an permanente Religionskriege ist die törichte Zuflucht von Extremisten, die nichts aufbauen oder erschaffen können und darum nur mit Fanatismus und Hass hausieren gehen...Kein Gott heißt diesen Terror gut. Keine Unzufriedenheit rechtfertigt diese Handlungen.“

(Obamas Rede vor der UN-Vollversammlung, Amerika Dienst 25.09.14)

Mit Abscheu zeigt Obama auf die Gewalt, die der IS ausübt. Der Gebrauch dieses Mittels soll auch schon das vernichtende Urteil begründen über jede Begründung, über jedes Ziel, über jede Rechtfertigung, die der IS für seinen Krieg anführt. „Unzufriedenheit“? Ach was, nichts als Terror. „Religionskrieg“? Ach was, nichts als Vorwand, also nichts als Terror. Das rechtfertigt „kein Gott“ – beim Willen der Götter kennt sich der Präsident von „God‘s own country“ aus.

Bei „Terroristen“ - so hat jeder zu denken - ist das Mittel Gewalt identisch mit dem Zweck Gewalt, sie töten um des Tötens willen, wollen außer Zerstörung mit dem Einsatz von Gewalt nichts erreichen. Deswegen heißt nicht nur ihr Vorgehen, sondern heißen sie selbst „Terror“.

Das kann der IS auch: Seinen Gegnern rein zerstörerische Absichten und Taten anlasten. Der „Westen“, ja alle „Ungläubigen“ überzögen die Welt mit „Unterdrückung und Krieg“ zur „Versklavung und Vernichtung der Muslime“; dadurch erklärt sich der IS nicht nur zu „Unzufriedenheit“, sondern zu Feindschaft berechtigt. Da sind erkennbar Jahrzehnte amerikanischer Kriegführung im arabischen

Raum und auch deren offizielle Rechtfertigung als Feldzüge gegen „islamisch motivierten Terror“ verarbeitet: zu einer Begründung für ein vom IS beanspruchtes Recht auf Gegengewalt. Dafür führt der IS seinen „Heiligen Krieg“, mit dem er die Verwüstung des arabischen Raums anreichert.

Bemerkenswert an Obamas Aburteilung der „Terroristen“ mit der Begründung, dass sie Gewalt anwenden, ist, dass diese Verurteilung nur gegen sie zur Anwendung kommt; ansonsten ist es gar nicht üblich, aus dem Einsatz von Gewalt auf die totale Verwerflichkeit des Ziels zu schließen. Näher betrachtet gilt die Ablehnung überhaupt nicht der Gewalt in dem Sinne, dass durch sie Menschen zu Schaden und zu Tode kommen. So gesehen säßen nämlich Obama und alle Staaten in der ersten Reihe auf der Anklagebank, weil sie daheim und auswärts und gerade im Nahen Osten so manche Opferbilanz zustande bringen. Verurteilt ist ausschließlich die Sorte Gewalt, die nicht westlichen Staatszielen dient. Gewalt aber, die für die Durchsetzung westlicher Ziele angewandt oder gleich von den westlichen Staaten selbst ausgeübt wird, verlangt Respekt.

Dafür denunziert Obama überhaupt nur vorsorglich jede Legitimation, die der IS für seine Gewalt anführen könnte: Um damit jede Sorte von amerikanischer Gewalt zur Ausschaltung des IS als einzig legitime Antwort zu rechtfertigen, die keiner weiteren Begründung bedarf.

„Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass die Zukunft der Menschheit davon abhängt, dass wir uns gegen diejenigen verbünden, die uns entlang der Grenzen von Volk oder Konfession, ethnischer Zugehörigkeit oder Religion spalten wollen....Es kann keine Verhandlungen mit diesem Bösen geben, man kann ihm nicht mit logischen Argumenten beikommen. Die einzige Sprache, die solche Mörder verstehen, ist die Sprache der Gewalt.“

„Das Böse“ gilt es zu zerstören: Obamas Begründung, warum einfach jeder diesem nächsten amerikanisch in Auftrag gegebenen Krieg im Nahen Osten zustimmen muss, ist das denkbar fundamentalste Feindbild. „Das Böse“, das malt den IS als einen aus, den man nur vernichten kann, legt also dem Feind zur Last, wie die USA mit ihm umspringen wollen. Und wenn die Weltmacht einen Feind zum Abschuss präsentiert, hat gleich die ganze „Menschheit“ zuzustimmen, egal welcher staatlichen und gläubigen Gemeinschaft sie angehört.

Mit welchen zutiefst moralischen Gründen alle Welt dem Oberbefehlshaber Obama nicht nur geistig folgen soll, ist damit klar. Aber zu welchem Programm und Vorgehen der USA jeder Ja sagen soll, ist damit gar nicht klar. Das Feindbild – ‚IS = das Böse‘ – fällt mit den Feindschaften und Störungen, die die Weltmacht erledigen will, gar nicht zusammen.

Die Ausschaltung des IS gehen die USA schon an, aber sie definieren gleich die ganze Region mit als Sumpf für solche antiamerikanischen Umtriebe: einen Irak, der sich nicht zu der einzigen für ihn vorgesehenen Aufgabe zusammenreißt, nämlich für die USA deren Feinde zu erledigen; Golfstaaten, denen die USA eigenmächtige Berechnungen mit dem IS nicht mehr durchgehen lassen; Syrien, dessen Herrschaft die USA zwar weg haben wollen, das aber nicht zum Raum für antiamerikanische Kräfte zu werden hat; usw.

Das Trockenlegen dieses Sumpfes leiten die USA mit der Bildung einer „umfassenden Koalition“ ein. Obama erteilt Aufträge zur Bekämpfung des IS und das erspart ihm nicht nur, sich militärisch auf das Niveau eines Kräftemessens mit einer „Terrormiliz“ herunterziehen zu lassen. Die Koalition verlangt eine Neuausrichtung derer, die es sich mit den USA nicht verscherzen wollen, auf Dienste an Amerikas Ordnungsinteressen in der Region. Dass man diese Dienste nicht verweigern kann, soll die irakische Regierung genauso wie die Kurden als Lehre aus dem IS-Vormarsch ziehen; ebenso die Lehre, dass sie dringlichst die USA brauchen, die auch die Saudis und Golfaraber einzusehen haben. Kühl nutzen die USA den Krieg des IS und die Notwendigkeiten der Kriegführung als Druck dafür, dass sich Partner ihnen zuordnen. Nach lauter solchen Berechnungen einer Weltmacht dimensionieren die USA dann auch ihre eigenen Beiträge zum Krieg. Und ein ganz realistisches Ergebnis, das dabei herauskommt, verkündet Obama ungerührt: Der Krieg gegen den IS kann 10 Jahre dauern. Darauf darf sich die Gegend also einstellen: Dass sie ein weiteres Jahrzehnt Kriegsregion ist und als solche von den USA kontrolliert und ausgerichtet wird. Menschen Gewalt ersparen? So ein Quatsch.

Was den IS treibt und was die USA mit ihrem Krieg an Änderungen in der Weltlage im Allgemeinen und im arabischen Raum im Besonderen herstellen wollen und anrichten, das soll Thema der Veranstaltung sein.

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