Hochschulreform heute: Von wegen "Wissensgesellschaft"!

Datum
Ort
München
Themenbereich
Wissenschaft und Ausbildung
Dozent
Gastreferenten der Zeitschrift GegenStandpunkt

Deutschland versteht sich, wie ähnliche Staaten, heute als "Wissensgesellschaft". Die Nation erklärt die Erkenntnis der Welt zu einem ihrer wichtigsten Lebensmittel: Wir brauchen immer mehr Wissen, mehr Forschung, mehr Studenten und akademisch gebildete Berufstätige. Warum "wir" das alles brauchen, ist kein Geheimnis und eine erste Klarstellung über die Wissensgesellschaft: Bessere Wissenschaft brauchen "wir", um die kapitalistische Standort-Konkurrenz der Nationen zu bestehen und möglichst zu gewinnen. Die Erkenntnis von Natur und Gesellschaft wird nicht als Mittel der Leute vorangetrieben; es geht weder darum, dass sie sich in ihrer Welt auskennen, noch darum, dass sie die gesellschaftlichen Verhältnisse praktisch beherrschen; es geht noch nicht einmal darum, dass man ihnen neue Gebrauchswerte und Hilfsmittel zur Erleichterung ihres Alltags anbieten können will. Der Staat lässt ausschließlich forschen und lehren, um die Konkurrenzfähigkeit der nationalen Wirtschaft gegenüber dem Ausland zu steigern, und das heißt eben: die Fähigkeit, gleichgelagerte Anstrengungen anderer kapitalistischer Nationen zu entwerten und zum Scheitern zu bringen.
2. Und weil das Wissen nur für die Konkurrenzfähigkeit der Nation da zu sein hat, ist es auch kein Widerspruch, wenn es einerseits heißt, dass an den Hochschulen hierzulande mehr davon produziert und "Exzellenz" und "Spitzenwissen" gefördert werden muss, andererseits weniger davon auch reicht: Studenten sind für die Wissensgesellschaft bestens qualifiziert, wenn sie in den neuen Studiengängen weniger lernen, schneller studieren und obendrein den Staat weniger kosten. Der Vergleich mit Konkurrenznationen, die man für erfolgreicher hält, gibt den Leitfaden ab, was an den deutschen Hochschulen zu reformieren ist - und der fordert ganz etwas anderes als mehr forschen, mehr lernen, mehr wissen. "Effiziente" Hochschulen sind solche, die nach den Maßstäben betriebswirtschaftlicher Vernunft und internationaler Hochschulpraxis durchrationalisiert sind, mit einem freien Wettbewerb um Finanzmittel, Forschungs- und Lehrpersonal, mit einer Leistungsentlohnung für Professoren und Studiengebühren für Studierende, mit einer Sortierung in Elite- und Massenuniversitäten, und nicht zuletzt mit den auf dem globalen Bildungsmarkt einzig anerkannten angloamerikanischen Studienabschlüssen Bachelor und Master.
3. Der Vortrag behandelt die aktuelle Hochschulreform, was die Reformer bewegt und was sie an Forschung und Lehre tatsächlich verändern. Und wirft ein Licht auf die schäbige Rolle, die das Wissen im Kapitalismus spielt...

Weitere Publikationen zum Thema von argudiss oder von anderen:

Artikel "Hochschulreform heute - Das Projekt, Wissenschaft und Ausbildung als Waffe in der Standortkonkurrenz zu effektivieren" in GegenStandpunkt 4-05

Artikel "Mit verschärfter Konkurrenz dem Denken Beine machen: Kürzungen der Uni-Haushalte, Studiengebühren, Elite-Universitäten - So bewirtschaftet der Staat die Ressource Bildung" in GegenStandpunkt 1-04

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