Harrisburg 1978, Tschernobyl 1986, Fukushima 2011: Noch eine Nuklearkatastrophe, die nichts und niemanden ändert

Datum
Ort
Nürnberg
Themenbereich
Staatenkonkurrenz und Imperialismus
Veranstalter
Sozialistische Gruppe
Dozent
Gastreferenten der Zeitschrift GegenStandpunkt

Im japanischen Fukushima ist wieder einmal eingetreten, wovor die Gegner der Atomenergie seit 40 Jahren warnen: Im Gefolge von Erdbeben und Tsunami sind mehrere Meiler außer Kontrolle geraten, explodieren, setzen Radioaktivität frei, machen Teile Nordjapans vielleicht auf Jahrzehnte oder länger unbewohnbar, verseuchen die ansässige Bevölkerung und bedrohen die 35-Millionenstadt Tokio mit radioaktivem Niederschlag.

Dass die Regierungen in Japan und den anderen Atomenergie nutzenden Staaten von dem Ereignis überrascht worden wären, stimmt nur in einer Hinsicht: Sie setzen beständig darauf, dass der „Größte Anzunehmende Unfall“ und Schlimmeres, das sie längst haben definieren und ausrechnen lassen, schon nicht eintreten wird. Ihre Fachleute schätzen das Risiko solcher Katastrophen ab und weisen ihm eine – sehr kleine – Wahrscheinlichkeit zu, die man dann großzügig ignoriert.

Wenn der Katastrophenfall eintritt, steht die betroffene Nation mehr oder weniger da wie nach einem verlorenen Krieg: Ein Verlust an Bevölkerung durch Verstrahlung und ansteigende Krebsraten schmälert die lebendige Staatsgrundlage; ganze Regionen sind dauerhaft für geschäftliche Nutzung unbrauchbar; statt kapitalistischen Wachstums fallen ungeheure Kosten für Sicherung und Einschließung der strahlenden Ruinen an, die das Sozialprodukt und den Staatshaushalt belasten und die Nation in der Konkurrenz mit Ihresgleichen um Größenordnungen zurückwerfen können. Schon gibt es Spekulationen über einen Niedergang Japans. Das, nichts anderes, ist der Albtraum, der politische Führer tatsächlich schockiert. Die Physikerin Merkel jedenfalls zeigt sich erschüttert darüber, dass das ausgerechnete „Rest-“Risiko einer Katastrophe tatsächlich eintritt. - Das wirft die Frage auf, warum kapitalistische Staaten ihre Bevölkerungen jahrzehntelang und weiterhin diesen – auch für die Staatsmacht selbst bedrohlichen – Risiken aussetzen. Nur damit die Wohnungen warm sind und die Handys Saft haben? Worum geht es bei der Stromversorgung kapitalistischer Staaten, dass man dafür Gefahren wie im Krieg eingeht?

- Jetzt will die Regierung Merkel – anders als praktisch alle anderen Regierungen des Globus – aus der Katastrophe gelernt haben und den Ausstieg aus der Atomenergie-Erzeugung beschleunigen. Was ist heute anders als in den Zeiten von Harrisburg und Tschernobyl, als die Katastrophen den VorgängerRegierungen kein Umdenken abverlangten? Was muss alles erfüllt, welche Anforderungen müssen gewährleistet sein, dass eine Bundesregierung die Wahnsinns-Technologie tatsächlich für tendenziell verzichtbar hält? Darüber will die politische Chefin des Weltmarktführers auf dem Feld der erneuerbaren Energietechniken drei Monate lang nachdenken, um dann zu entscheiden, ob und wie viele alte Meiler abgeschaltet werden sollen und wie lange sie die neueren weiterlaufen lassen will. Die schwarz-gelbe Koalition „lernt“ aus der Katastrophe, konsequenter anzupacken, was sowieso auf der deutschen Agenda steht.

Und so viel steht bei allem „Umdenken“ sowie- so fest: Wenn erst ein Ausstiegsszenario und neue Laufzeitgrenzen von 10 bis 20 Jahren vereinbart sind, ist das als „unvertretbar“ erkannte Restrisiko wieder voll vertretbar.

Veranstalter: Sozialistische Gruppe

Weitere Publikationen zum Thema:

Rechtzeitig zum 25-Jährigen von Tschernobyl schlägt das „Restrisiko“ wieder zu Der Super-GAU in Fukushima und die Berechnungen kapitalistischer Energiepolitik in GegenStandpunkt 2-11

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