Seit Jahren ist das Stichwort "Globalisierung" die einschlägige Erklärung und Rechtfertigung für Lohnsenkungen, Rentenkürzungen, Streichungen bei den Leistungen der Kranken- und anderen Sozialkassen, die der Masse der Bevölkerung verordnet werden. "Leider", heißt es, seien Sozial-, Wirtschafts- und Steuerpolitik nach nationalen Vorstellungen nicht mehr möglich im Zeitalter "globalisierter Märkte". Grenzen hätten ihre Schutzwirkung verloren, seitdem "transnationales Kapital" die Länder der Erde als Standorte vergleicht und sich zur Niederlassung nur noch dort entschließt, wo die Leistungen eines Standorts Weltspitze, seine Kosten dagegen minimal sind. Der Nationalstaat stellt sich als Opfer einer anonymen Entwicklung hin, gegen die er sich nicht wehren könne. Ohnmächtig müsse er den internationalen Kapitalen zu Diensten sein, sonst hauen sie ab.
Die Wahrheit war das nie. Stets haben dieselben Politiker und Unternehmer den "Risiken der Globalisierung" ihre "Chancen" gegenübergestellt. Zur "Verteidigung des Standort Deutschland" haben sie sich von einer Lage "zwingen" lassen, die sie selbst hergestellt haben: Europa und Amerika haben jahrzehntelang alle Länder - gewaltsam oder nicht - "geöffnet" und den ganzen Globus zum Anlageplatz für Kapital hergerichtet. Die Konkurrenz um die nationale Nutzung des Weltmarkts, die sie eröffnet haben, wollen sie natürlich erfolgreich bestehen. Sie stellen sich dieser selbst geschaffenen "Herausforderung" und verteidigen den Reichtum ihrer Nation durch die Schaffung von jeder Menge Armut bei den Massen.
Man sollte also die Sache, auf die das Schlagwort "Globalisierung" anspielt, von der Sachzwang-Ideologie unterscheiden, die damit transportiert wird. Der offiziellen Berufung auf "Globalisierung" ist nämlich durchaus zu entnehmen, worin deutsche Politiker, Unternehmer und Presseleute die Lebensgrundlagen und Reichtumsquellen ihres Landes sehen, welche Herausforderungen sie bestehen, welche Konkurrenz sie gewinnen wollen, und welche Rolle sie den Normalmenschen zuweisen. Darum soll es in dem Vortrag gehen.
Und auch darum, ob eine Anti-Globalisierungs-Bewegung die passende Antwort auf den globalen Kapitalismus ist.
Aus aktuellem Anlass soll auch noch zur Sprache kommen, welche Rolle der deutsche Staat der an hiesigen Universitäten betriebenen Ausbildung und Wissenschaft "im globalen Wettbewerb" zuweist. Er veranstaltet eine ziemlich fundamentale Hochschulreform, Studiengebühren inklusive, als Hebel zur Effektivierung der "Ressource Wissen" - für den Erfolg der Nation auf dem Weltmarkt.
Teil 1. Vorbemerkung
Teil 2. "Globalisierung" - die moderne Sachzwang-Ideologie der internationalen Konkurrenz der Kapitalisten und der Nationen
Teil 3. Die Sache: Konkurrenz der Nationen um die Aneignung der Erträge der weltweiten Ausbeutung (1)
Teil 4. Die Sache: Konkurrenz der Nationen um die Aneignung der Erträge der weltweiten Ausbeutung (2)
Teil 5. Die Anti-Globalisierungsbewegung
Teil 6. Nachtrag: Die Reform von Wissenschaft und Ausbildung als weitere Waffe im "globalen Wettbewerb"
Weitere Publikationen zum Thema von argudiss oder von anderen:
„Globalisierung“ – Der Weltmarkt als Sachzwang in GegenStandpunkt 4-99
Die Konkurrenz der Kapitalisten: Kapitel IV § 24 Die ideologische Bewältigung der Krise des Kapitals in GegenStandpunkt 4-22 und dort der Abschnitt 3: „Globalisierung“ insofern ein schöner Höhepunkt, weil die Nationalkapitalisten den Gebrauch ihrer Macht für den Erfolg ihres Lokal- und Geldpatriotismus zum überlebensnotwendigen Dauerprogramm erklären - Eine Idee macht Karriere ...