Die Katastrophe "Flüchtling": Global überflüssig gemacht und von den Staaten als Last behandelt

Datum
Ort
Bremen
Themenbereich
Staatenkonkurrenz und Imperialismus
Veranstalter
Argudiss
Dozent
Gastreferenten der Zeitschrift GEGENSTANDPUNKT

Die katastrophale Lage von Flüchtlingen ist bekannt. Wobei „Flüchtlingskatastrophen im Mittelmeer“ nur die Spitze sind. Wer da mit seiner Kritik loslegt, kommt zu spät.

Der Katastrophe erster Teil: Tausende riskieren Monat für Monat ihr Leben für eine Flucht nach Europa, Millionen machen sich ständig neu auf die Flucht, weil in ihren Herkunftsregionen ihre Existenz bedroht ist. Sind die Gründe für die massenhafte Mittellosigkeit egal bei der Frage, was die angemessene Antwort ist? In Europa kreist zwischen Politikern und Bürgern die Frage, was „wir“ mit den Flüchtlingen machen, wie „wir“ ihnen helfen sollen. Passt das überhaupt auf diese offensichtlich nicht vorübergehend eingerissene, sondern systematisch produzierte Notlage?

Und wenn in Europa schon nur auf die hier ankommenden Flüchtlinge geguckt wird, wie passiert es denn? Da wollen sich Flüchtlinge, die es überhaupt bis nach Europa bringen, hier einen Lebensunterhalt erwerben, für den sie in ihren Herkunftsländern keine Aussicht sehen. Sie bekommen in Europa eine Antwort, die Bürger und Politiker völlig naheliegend und edel finden, die aber gar nicht selbstverständlich ist: Alle erklären, dass Flüchtlinge Fälle humanitärer Hilfe sind. Sie meinen damit gar nicht nur eine erste Hilfe wie Seenotrettung und für die vollkommen mittellos Anlandenden. Gute Menschen und politisch Zuständige gehen einvernehmlich davon
aus, dass die meisten Flüchtlinge Fälle von Hilfe bleiben. 

Das ist nicht selbstverständlich. Denn das unterstellt das Urteil, dass der Wille der Flüchtlinge, sich einen Lebensunterhalt zu erwerben, auch in Europa nichts gilt und für ihn hier kein Platz ist. Das ist die Kehrseite davon, dass Europas Politiker und Bürger nur die „humanitäre“ Berechtigung der Flüchtlinge dafür respektieren, dass man sie rettet und existieren lässt, dieses erbärmliche Zugeständnis, dass sie doch Menschen sind. Dann kommen Flüchtlinge aus einer Existenz, die mit Zugeständnissen und Zuwendungen steht und fällt, nicht heraus.
Das ist der Katastrophe zweiter Teil: Auch hierzulande gibt es für die Masse der Flüchtlinge keinen Lebensunterhalt, weil Europas Gesellschaften dafür keinen Bedarf haben. Warum? Irrweg, Hartherzigkeit, böser Wille?

Manche Flüchtlingshelfer appellieren, den Flüchtlingen doch rasch das Arbeiten zu erlauben. Dabei können auch sie wissen, dass Arbeiten und Geld verdienen dürfen nie dasselbe ist wie es können. Der Bundesinnenminister argumentiert gegen die guten Menschen mit professioneller Sachkunde über sein Regierungsgebiet, in dem die Masse der Flüchtlinge nun mal „keine Perspektive“ hätten, so dass es geradezu menschlich und allemal ehrlicher sei, sie abzuschieben und Nachrückende abzuschrecken statt unehrliche Hoffnungen zu verbreiten. Das kann man als Heuchelei anprangern, weil de Maiziere nur seine eigenen Beschlüsse, die Flüchtlingen keine Perspektive erlauben, wie eine Sachlage darstellt. Das kann man aber auch als Auskunft verstehen über den Staat, um dessen Ordnung er sich kümmert: Der hat sein Volk, und die herrschende Wirtschaftsweise legt allein nach ihren Rechnungen fest, wie viel Menschen sie braucht. In ihr definiert eben nicht der Bedarf der Menschen nach Lebensunterhalt, was von wem zu arbeiten ist. Umgekehrt: Die Menschen werden vom Bedarf der privaten Arbeitgeber nach rentabler Arbeit und vom Bedarf öffentlicher Haushalte nach Dienstkräften eingeteilt in bezahlte Gebrauchte und Übrige. Die Deutschen, die über sind, heißen in Deutschland „Arbeitslose“ und werden entsprechend behandelt. Flüchtlinge bringen es in der Regel nicht mal dazu.

Europäische Politik hat jahrelang ihr Urteil, dass für Flüchtlinge hier kein Platz ist, zumal kein wirtschaftlicher Bedarf und deshalb auch kein Geld für sie da ist, mit aller Macht und Härte durchzusetzen versucht: Mit Grenzsicherung, Rückführung, Abschreckung, Festhalte- und Rücknahmeverträgen hat sie sicherstellen wollen, dass unbestellte Elendsfiguren in „ihren“ Grenzen verbleiben. Sie bilanziert: Sie ist gescheitert. Woran? An Flüchtlingen, die das Risiko, dass ihre Flucht scheitert und sie dabei sogar umkommen, für geringer erachten als das, was sie in ihren Herkunftsregionen auf ihr Leben zukommen sehen. So gesehen ist Europas Flüchtlingspolitik
an den Zuständen gescheitert, zu denen es in ihren weltwirtschaftlichen „Partnerländern“, „Gegenküsten“ und Kampfgebieten „gegen den Terrorismus“ und „gegen Diktatoren“ gekommen ist.

Gesamtaufnahme