Der Türkei-Vertrag - Die nächste Etappe von Merkels Flüchtlingspolitik: Zurückrudern oder imperialistische Offensive mit Hindernissen?

Datum
Ort
Stuttgart
Themenbereich
Staatenkonkurrenz und Imperialismus
Veranstalter
VERSUS & Diskussion
Dozent
Prof. Freerk Huisken

Im Vertrag der EU mit der Türkei zur Flüchtlingspolitik entdecken Anhänger der „Willkommenskultur“ vom letzten Herbst ein „Zurückrudern“. Merkel habe sich auf den Standpunkt des „Abschottens“ der europäischen Außengrenzen zurückgezogen und damit denjenigen Staaten Recht gegeben, die ihre innereuropäischen Grenzen gegen Flüchtlinge abgedichtet haben. Dazu ist festzustellen: Wer in dem Vertrag der EU mit der Türkei allein ein Fernhalten und Abschrecken von Flüchtlingen entdeckt, hat nicht nur den zentralen Gehalt dieses Vertrags verpasst, sondern muss auch schon die „Willkommenskultur“ als Höhepunkt deutscher Menschenfreundlichkeit und das deutsche Asylgrundrecht als Instrument selbstloser Flüchtlingshilfe fehlgedeutet haben.

Dabei lässt die Kanzlerin keinen Zweifel daran aufkommen, dass sich ihre Absicht, über die Neuregelung der Schengen außengrenze die „Flüchtlingszahlen dauerhaft und nachhaltig zu reduzieren“, als ein Vertragsbestandteil in die politische Kontrolle der gesamten Ägäis-Fluchtroute – von Syrien, über die Türkei, die Ägäis bis nach Griechenland – einfügen soll. Sie will Schluss machen mit dem unkontrollierten Einsickern von Massen „illegaler“ Flüchtlinge nach Europa, der nationalen Abschottungspolitik von EU-Staaten, der Überforderung Griechenlands als Außengrenzstaat, dem Schlepperwesen, dem massenhaften Absaufen im Mittelmeer, dem Durchmarsch von Flüchtlingen durch die Türkei und dem unkontrollierten Lagerwesen in der türkisch-syrischen Grenzregion – kurz, mit all dem, was die deutsch-europäische Merkel-Fraktion an der Massenflucht schon immer gestört hat.

Die Umsetzung des Vertrags mit der Türkei, der zwischenzeitlich sogar wieder ganz zur Disposition steht, geht auf jeden Fall nicht ohne Hindernisse ab: Zum einen, weil europäische „Partner“ wie Ungarn, Polen, Tschechien etc. nicht gewillt sind, sich über das deutsch-definierte Vertragswerk die Hoheit über ihre nationalen Grenzen und über die Frage, ob sie in ihr Staatsvolk Flüchtlinge aufnehmen will, weiter beschneiden zu lassen; und zum anderen, weil die türkische Führung die Einmischung Europas in innen- und außenpolitische Angelegenheiten, die der Vertrag enthält, neuerdings fast schon als feindlichen Akt deutet.

Solche Konfrontationen mit sperrigen Eigeninteressen von Staaten innerhalb und außerhalb Europas schließt eine global angelegte Flüchtlingspolitik à la Merkel zwangsläufig ein. Das heißt aber, dass diese Politik ohne die Reklamation von Aufsichtsinteressen über alle Staaten, die von der „Flüchtlingskrise“ betroffen sind, nicht zu haben ist – was die Kanzlerin Merkel vom Herbst letzten Jahres an gewusst, mitgeteilt, in ihr Programm eingebaut, also gewollt und betrieben hat.

Veranstalter: Versus Politik

Link zur Aufnahme beim Veranstalter: https://versus-politik.de/mp3/S160629_TurkeiVertrag.mp3

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