Da erlebt die Gesellschaft ausnahmsweise einmal, was eine Gewerkschaft kann, wenn sie ihre Mitglieder hinter sich hat und entschlossen ist, ihre Interessen gegen ihren Arbeitgeber, in dem Fall die Deutsche Bahn, auch durchzusetzen. Dann ist der Schienenverkehr tagelang ziemlich flächendeckend lahmgelegt; Pendler kommen nicht zur Arbeit und Güter nicht in die Werkshallen. Die GDL weiß: sie muss streiken, um ihren Forderungen Gehör zu verschaffen. So lange sie nicht durch kollektive Arbeitsverweigerung zur Geltung gebracht werden, zählen die Interessen ihrer Mitglieder nichts.
Und was fällt der Öffentlichkeit zu dieser Offenbarung über die Marktwirtschaft ein? Nichts als die Frage, ob die Gewerkschaftler für diese „Störung“ des Betriebsablaufs eine Genehmigung vorweisen können – und die entsprechende Antwort: Natürlich nicht! Gleichgültig gegen Grund und Zweck des Streiks beharren die Kommentatoren in Presse und Fernsehen darauf, dass die Lokführer gefälligst ihren Dienst für die Allgemeinheit zu leisten hätten, anstatt „Millionen“ (der Spiegel), eigentlich „ein ganzes Land“ (Wirtschaftswoche) und „seine tragende Säule, den Mittelstand“ (FAZ) „in Geiselhaft“ zu nehmen. Ein Streik, den sie nicht billigen, kann gar nichts anderes als ein „sinnloser Machtkampf“ sein, geführt zur Befriedigung der „Machtgelüste“ eines „Größen-Bahnsinnigen“ (Bild) in Gestalt des GDL-Chefs Weselsky.
Die Politik, die tatsächlich darüber befindet, was Arbeiter dürfen und was nicht, gibt der allseitigen Empörung Recht. Zwar ist „Das Streikrecht ein zentrales Grundrecht, ein Eckpfeiler unserer Demokratie.“ (Arbeitsministerin Nahles) Kaum aber wird das Recht wahrgenommen, liegt ganz offensichtlich ein Anschlag auf den Sinn dieses Rechts vor: „Hier scheint das Prinzip vorzuherrschen: Wenige schauen nur auf sich. Dass einige Spartengewerkschaften für ihre Partikularinteressen vitale Funktionen unseres gesamten Landes lahmlegen, ist nicht in Ordnung.“ Kaum orientiert sich eine Gewerkschaft beim Fordern nicht wie die großen DGB-Gewerkschaften von vorneherein an den Interessen der Arbeitgeber und „unseres gesamten Landes“, muss ein „Gesetz zur Tarifeinheit“ her, das dem Auftreten von kämpferischen Gewerkschaften rechtlich den Boden entzieht.
Warum es in dieser Gesellschaft erstens ein kollektives Streikrecht braucht, das zweitens gegen seinen Gebrauch gleichzeitig per Gesetz geschützt werden muss, ist Gegenstand des Vortrags.
Veranstalter: Sozialistische Gruppe/ Hochschulgruppe Erlangen-Nürnberg
Infos unter: www.sozialistischegruppe.de
Der Kampf der GDL um ihre Tarifmacht und das Ringen des Staates um ein neues Streikrecht, GegenStandpunkt 4-14